Streit Stefan
Stefan Streit wurde am 13. März 1911 in Mittelneufnach, Kreis Augsburg, geboren. Er war Fuhrknecht in der Dorfmühle Wildpoldsried, Dorfmühlstr. 17, die dem ehemaligen Bürgermeister Roman Mayr gehörte. Dieser sorgte vermutlich dafür, dass er erst spät eingezogen wurde.
Stefan Streit war katholisch. Mit seiner Ehefrau, Elisabeth geb. Frick, und den beiden Söhnen, Erwin und Adolf, lebte er in Wildpoldsried, Dammweg 3.
Stefan Streit diente als Fahrer in der 8. Kompanie Grenadier Regiment 774. Diese Einheit gehörte zum sogenannten „Volkssturm“. Der „Volkssturm „wurde aufgrund eines Führererlasses vom 25. September 1944 aufgestellt. Alle waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren wurden aufgefordert, den „Heimatboden“ des Deutschen Reiches zu verteidigen.
Der Volkssturm wurde in erster Linie für Bau- und Schanzarbeiten, Sicherungsaufgaben und zur Verteidigung von Ortschaften, zumeist in unmittelbarer Heimatgegend, eingesetzt. Stefan Streit gehörte zum Aufgebot I, das die Jahrgänge 1884 bis 1924 umfasste. Die aus ihnen gebildeten Volkssturm-Bataillone konnten bis zu sechs Wochen auch außerhalb des Heimatgebiets eingesetzt werden. Im Dezember 1944 wurde das Grenadier-Regiment 774 der 416. Infanterie-Division unterstellt.
Im Januar 1945 kam sie im Raum Saarpfalz, Hunsrück, Rhein, Donau, Inn zum Einsatz. Am 1. Mai 1945 wurden die Reste der Division bei Wasserburg am Inn von den Amerikanern zerschlagen. Wegen einer Granatsplitterverwundung musste Stefan Streit der linke Fuß abgenommen werden. Aufgrund einer Infektion verstarb er am 21. Mai 1945 in einem Lazarettzug.
Richard Donderer aus Günzburg richtete am 25. August 1945 einen Brief an den Bürgermeister von Wildpoldsried, in dem er Stefan Streits Schicksal schilderte:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Ich muss Ihnen auf diesem Wege eine sehr traurige Mitteilung machen. Nach meiner Flucht aus russischer Gefangenschaft durch die Tschechei stieß ich in der Nähe Karlsbad auf einen Lazarettzug, der behelfsmäßig noch mit 800 Verwundeten aus Tetschen-Bodenbach herauskommen konnte. Während meiner ärztlichen Tätigkeit in diesem Lazarett-Zug – etwa vom 20. – 30. Mai 1945 – starben 32 Kameraden, meist unbekannte, von denen jegliche Personalien fehlten. Etwa am 24. 5. – das Datum kann ich nicht genau sagen – starb ein Volkssturmmann, etwa 50 Jahre alt, an einer weit ausgedehnten Granatsplitterverletzung. Er hatte nichts bei sich als eine Papiersoldbuchhülle mit einem Brief, aus dem sich ermitteln ließ, dass er aus Wildpoldsried bei Kempten stamme, die Adresse lautete auf Stefan Streit.
Die Kameraden sagten aus, er habe – beim Bewusstsein war er nicht – allgäuerischen Dialekt gesprochen und im Unterbewusstsein viel von Pferden und Wagen erzählt. Ferner war aus dem Brief zu ermitteln, dass er als Fahrer bei einer Infanterie Kompanie eingeteilt war. Näheres kann ich nicht mehr sagen. Ich habe nämlich den Nachlass von all den gestorbenen Kameraden aufgenommen und verwahrt, der später von Tschechen mit all unserm Hab und Gut geplündert wurde.
Zufällig habe ich den Namen von Streit im Gedächtnis behalten. Haben Sie, Herr Bürgermeister, bitte die unangenehme Aufgabe diese Mitteilung den Angehörigen, die der Gefallene sicher hat, zu überbringen. Es ist sicher anzunehmen, dass eine amtliche Todesnachricht nie mehr kommen wird. Es ist mir schwer diese Mitteilung machen zu müssen. Aber meines Erachtens ist diese noch besser, als wenn Angehörige jahrelang vergeblich warten.“
Durch mündliche Mitteilung eines Kameraden aus Kempten wusste Ortspfarrer Schmied schon vorher von Stefan Streits Tod. Die amtliche Kriegssterbefallanzeige traf erst 1951 beim Standesamt Wildpoldsried ein. Stefan Streit wurde in Dallwitz bei Karlsbad / Tschechien beigesetzt. Dallwitz ist ein nordöstlicher Vorort von Karlsbad. Das oben erwähnte Tetschen – Bodenbach trug diesen Namen in den Jahren 1942 bis 1945, heute Decin und Podmokly / Tschechien. Richard Donderer legte seinem Schreiben eine Lageskizze des Grabes von Stefan Streit bei und stellte fest: „Er wurde sehr ehrenvoll begraben, das Grab mit einem schönen geschreinerten Holzkreuz versehen und mit Blumen geschmückt.“
1996 stellte der VdK fest, dass sich sein Grab auf dem Einbettungsfriedhof Marianzke Lazne / Tschechien, früher Marienbad, befindet. Seine sterblichen Überreste seien zur Ehrung nicht zu bergen.
Stefan Streit starb mit 34 Jahren.